Wir haben einen neuen Seligen: Das ist das Geschenk und die Freude dieser Stunde! Josef Mayr–Nusser steht für die biblische Überzeugung, dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen. Nichts und niemand darf mit Gott verwechselt oder an seinen Platz gestellt werden: keine Ideologie, kein Volk, keine Sprache, kein Land, keine Kultur, kein politischer oder religiöser Führer. Josef Mayr-Nusser verstand sein Gewissen als den Ort der Erfahrung Gottes, der uns in Anspruch nimmt und von uns Gehorsam verlangt. Sein geformtes und waches Gewissen verpflichtete ihn, auf dem Hintergrund des christlichen Doppelgebotes der Gottes- und Nächstenliebe, ein klares Nein zu sagen zum nationalsozialistischen Regime mit seiner Blut- und Bodenideologie, mit seiner Verherrlichung des Krieges, mit seiner Rassenlehre, mit seiner Beseitigung des Humanen.
Josef Mayr–Nusser hat sein Gewissen als Christ geformt im Gebet, durch die Heilige Schrift, in der Eucharistie, in der Lektüre, im Austausch mit Gleichgesinnten. Er wusste mehr, weil er auch mehr wissen wollte. So wurde er fähig, hinter die Maske der Propaganda und der Verführung zu schauen und zu erkennen – schon mehrere Jahre vor seiner Eidesverweigerung –, dass dieses grausame System in seinem Kern ein fundamentaler Angriff auf den biblischen Gott war, der in Jesus Christus nicht auf der Seite der Täter steht, sondern immer auf der Seite der Opfer – in Geschichte und Gegenwart.
Und jetzt dürfen und sollen wir mit Überzeugung bekennen: Zur Ehre dieses Gottes, der keine anderen Götter neben sich hat und der ein „Freund und Liebhaber des Lebens“ ist (vgl. Weish 11,26), dürfen wir Josef Mayr–Nusser als Märtyrer verehren. In der Logik eines Menschen verachtenden und Menschen vernichtenden Systems hat er verloren, in den Augen Gottes aber hat er gewonnen! Zu dieser Perspektive Gottes, zu dieser österlichen Perspektive des Kreuzes und der Auferstehung, müssen wir uns ständig neu bekehren. Und wo wir auch als Christen und als Kirche schuldig geworden sind und schuldig werden, weil wir zu wenig die Stimme erheben für die Schwachen, die Namenlosen, die Ungeborenen, die Nicht-Willkommenen und die Nicht-Produktiven, bitten wir um Vergebung – auch im Schauen auf das Lebens – und Glaubensbeispiel unseres neuen Seligen. Er ist eine Herausforderung für unser Christsein heute.